Am 2. Oktober machte sich unsere 12-köpfige Delegation bestehend aus den 8 Spielern und Spielerinnen Ashot, Martin, Frederik, Daniel, Alva, Keyvan, Alexandra und Katerina, den beiden Elternteilen Afshin und Irina sowie den Trainern Thomas und mir auf den Weg nach Würzburg zur diesjährigen Deutschen Ländermeisterschaft, die nach sechs Jahren in Folge in Hannover in diesem und im nächsten Jahr in Würzburg ausgetragen wird. Obwohl wir mit die weiteste Anreise zu bewältigen hatten, erschienen wir vor Ort als eine der ersten Delegationen, sodass wir genug Zeit hatten, um unsere Zimmer einzurichten und die Örtlichkeit kennenzulernen. Als einziges kleines Manko kann man anmerken, dass bei der Zimmereinteilung im Vorfeld scheinbar etwas nicht ganz geklappt hatte, da sich verschiedene Delegationen nun Zimmer teilen mussten, was auch unser Mädchenzimmer betraf. Auf der anderen Seite verstehen sich die allermeisten Jugendlichen gut und so stellte dieser Umstand zumindest für uns kein Problem dar.
Wie die letzten Jahre gingen wir auch dieses Mal wieder mit der Hoffnung in das Turnier, einen Platz auf dem Podest ergattern zu können, aber mit Hessen, Niedersachsen und Baden 1 waren drei bärenstarke Teams vor uns gesetzt und auch mit Teams wie beispielsweise Sachsen 1, NRW und Bayern 1 musste in diesem Turnier gerechnet werden. Daher wussten wir, dass bei solch einem Turnier oft ein glücklicher Sieg oder eine unglückliche Niederlage über eine Medaille entscheiden kann, was den Druck auf die Spieler natürlich noch einmal erhöht.
Bei der Vorbereitung auf die Gegner konzentrierte sich Thomas dabei auf die Mädchen und Keyvan, während ich die Jungs an den Brettern 1 bis 4 übernahm. Allerdings halfen wir uns trotzdem gegenseitig und besprachen auch oftmals zusammen, welche Variante wohl am besten geeignet sei.
In Runde 1 trafen wir auf die Spielgemeinschaft Bremen/Niedersachsen, aus deren Mannschaft auch eine Spielerin auf unserem Mädchenzimmer wohnte. Diesen Kampf gewannen wir letztendlich verdient mit 6-2, wobei Alexandra zwischenzeitlich eine Gewinnstellung hatte, aber in Zeitnot leider den Überblick verlor. Das gewonnen Turmendspiel an Brett 8, das am Ende Remis endete, wurde dabei durch das Remis von Alva kompensiert, die zwischenzeitlich so gut wie Matt war.
Mit diesem Erfolg ging es in die kurze Vorbereitung für Runde 2 gegen Sachsen-Anhalt, bei der es vor allem darum ging, den Spielern Mut zuzusprechen, da die Auslosung erst eine halbe Stunde vor der Runde veröffentlicht wurde. Es gab in diesem Kampf eine Menge wieder gutzumachen, da uns das 4-4 in der letzten Runde im Vorjahr jeglicher Medaillenchance beraubt hatte. Der 5,5-2,5 Sieg war dann am Ende auch verdient, wobei die eine oder andere Partie auch anders hätte ausgehen können. Ashot hatte sich an Brett 1 bereits in eine Remisstellung gerettet, aber kurz vor Ende machte er dann doch noch den entscheidenden Fehler und verlor. Dahingegen konnte Keyvan eine sehr schwierige Stellung in ein Turmendspiel mit Minusbauern verwandeln und souverän Remis halten. Alexandra hätte die Partie früh mit einem Turmopfer für sich entscheiden können, aber in einer späteren Phase verlor sie den Überblick und damit auch den ganzen Punkt. Der Rest der Ergebnisse entsprach mehr oder weniger dem Verlauf der Partien und so standen wir das erste Mal seit 2015 nach 2 Runden wieder an der Spitze der Tabelle und konnten uns ausgiebig auf das Match mit Hessen vorbereiten.
Martin und ich schauten uns im Vorfeld die Tarrasch-Verteidigung an und es gelang ihm auch ein komfortables Remis zu erreichen. Ansonsten hatten wir eigentlich viele gute Stellungen und auch wenn Keyvan einen frühen Qualitätsgewinn verpasste, konnte man am Horizont bereits einen Matchgewinn erahnen. Als Katerina an Brett 8 dann eine Figur gewinnen konnte, schien eigentlich nichts mehr schiefgehen zu können. Aber so einfach ist Schach nun einmal leider nicht und die Dinge nahmen ihren Lauf. Alexandras Gewinnstellung versandte in ein remisliches Endspiel, Frederik verlor seine Partie und Ashot stand nach der Zeitnot sehr bedenklich. Zwischen einem 4,5-3,5 und einem 3,5-4,5 war nun alles möglich. Mit den anschließenden Remisen von Keyvan, Alva und Ashot stand es 3,5-3,5 und in der letzten Partie schien Daniel auf den ganzen Punkt zu spielen, aber nachdem er eine weiße Mattdrohung übersehen hatte, gab es keine Rettung mehr und der Kampf ging verloren.
Dabei erfuhr ich im Nachhinein noch, dass meine Remiserlaubnis für Keyvan in einem gewonnenen Bauernendspiel erfolgte, was Erinnerungen an eine glorreiche Partie in Runde 4 von der diesjährigen ODJM U25A wach werden ließ. Möglicherweise sollte ich solche Endspiele doch mal wieder häufiger trainieren. ;)
Aus meiner eigenen Zeit als Spieler war mir natürlich klar, dass es nichts bringt, sich lange zu ärgern und vereinbarte mit Sachsen und Thüringen, dass wir uns zum gemeinsamen Fußballspielen auf einer Wiese am Main treffen wollten, um uns den Frust von der Seele zu spielen. Dabei konnte das Team mit Katerina und mir das Team mit Martin, Frederik und zwischenzeitlich auch Alva überzeugend mit 15-12 schlagen. Erholt von der Niederlage ging es dann in die Vorbereitung gegen NRW, die ein weiteres Schwergewicht darstellten. Unsere Vorteile lagen dabei vor allem an den vorderen 4 Brettern. In einem verrückten Kampf sah zunächst alles gut aus, vor allem da Daniel in einer vorbereiteten Variante einen schnellen und überzeugenden Sieg feiern konnte, aber als einige Bretter hinten kippten, lag es plötzlich an Martin den Kampf beim Stand von 3,5-3,5 zu gewinnen. Dabei hatten wir etwas Glück, dass sein Gegner ein minimal besseres Endspiel völlig überzog, sodass Martin ein gewonnenes Bauernendspiel erreichte und dieses auch sicher gewann.
Damit war es uns gelungen, uns in der Spitzengruppe festzusetzen. Mit Niedersachsen wartete am Nachmittag der Spitzenreiter und im Falle eines Sieges hätten wir sogar die Tabellenführung übernehmen können. Während des Kampfes gab es an verschiedenen Brettern Chancen für eines der beiden Teams, aber schlussendlich reichte der Sieg an Brett 5 für Niedersachsen um zusammen mit 7 Remis 4,5-3,5 zu gewinnen. Dabei hatte Alva lange eine Partie auf hohem Niveau gespielt, aber leider ein kleines Detail in einer Variante übersehen, sodass der Angriff ihres Gegners doch durchschlug. Dass Katerina ihr verlorenes Endspiel dann noch Remis hielt, war daher leider nur noch Ergebniskosmetik.
Mit Platz 6 nach 5 Runden war allerdings noch gar nichts verloren, da unsere Sonneborn-Berger-Wertung relativ gut war und man es mit 10 Mannschaftspunkten in den letzten Jahren normalerweise auf das Podium geschafft hat. Somit wurde die Vorbereitung gegen Bayern 1 sehr ernsthaft angegangen und es entwickelte sich zum vierten Mal in Folge ein Mannschaftskampf, der mit 4,5-3,5 für eine der beiden Mannschaften endete. Dieses Mal waren wiederum wir auf der glücklicheren Seite dieses Ergebnisses. Die entscheidende Partie spielte dabei Alva, deren Gegner früh eine Figur opferte, wonach der Computer sie bereits auf der Siegerstraße sah. Mit dem bloßen Auge war die Stellung allerdings keineswegs klar und mitten in beidseitiger Zeitnot konnte ihr Gegner eine gewinnbringende Kombination anbringen. Als diese Gelegenheit ausgelassen wurde, konnte Alva ihre Stellung stabilisieren und den ganzen Punkt nach Hause fahren.
Somit standen wir vor der letzten Runde bei 8 Mannschaftspunkten und auf dem 4.Platz hinter drei Mannschaften mit 9 Mannschaftspunkten, wobei mit Hessen und Baden 1 zwei dieser Teams gegeneinander gelost wurden. Wenn eine dieser Mannschaften den Kampf gewinnen würde, hätten wir alles selbst in der Hand, bei einem Unentschieden hätte es im schlimmsten Fall auch mit 10 Mannschaftspunkten nur zum 4.Platz reichen können.
Um die Gedanken ein wenig zu lockern, trafen wir uns zum zweiten Mal zum Fußball spielen, wobei diesmal auch die Delegation aus Sachsen-Anhalt anwesend war. Für Katerina, die mit ihrer Mutter unterwegs war, rückten für die SJSH diesmal Alva, Daniel, Keyvan und Afshin ins Team. Dass mein Team diesmal mit 1-6 und 2-6 verlor, hinderte uns nicht daran, unsere 3 Tore zu feiern, als hätten wir gerade das entscheidende Tor im WM-Endspiel geschossen, sodass wir nach ungefähr 2 Stunden zufrieden den Rückweg zur Jugendherberge antraten.
Anschließend startete die Vorbereitung auf die entscheidende letzte Runde und wir waren guter Dinge, dass es in diesem Jahr einfach mit dem Podium klappen musste, nachdem wir so oft knapp gescheitert waren. Der Kampf startete relativ gut für uns, da Martins Einsteller in einer unklaren Stellung durch klar bessere Stellungen von Daniel und Frederik kompensiert wurde. Nachdem Daniel gewann, verlor Martin und an Brett 5 und 6 endeten die Partien Remis. Dass Alexandra dann aufgeben musste, verschlechterte die Stimmung in unserem Team allerdings nicht, da wir an den 3 verbliebenen Brettern klaren Vorteil hatten. Als Katerina gewann, schien eigentlich nichts mehr schief gehen zu können und tatsächlich verwerteten Frederik und Ashot ihre Endspiele zum vollen Punkt, sodass die Feierlichkeiten beginnen konnten, da Hessen Baden 1 mit 5-3 geschlagen hatte. Im Nachhinein scheint es so, dass ein 4-4 in dem Kampf uns tatsächlich auf den undankbaren 4.Platz verdrängt hätte, aber in diesem Jahr hatten wir endlich einmal das nötige Glück. Wenn meine Rechnungen stimmen, hätte uns ein 4-4 in unserem eigenen Kampf gerade so mit einem halben Sonneborn-Berger-Punkt vor Baden 1 auf Platz 3 geschoben, aber zum Glück ließen wir es gar nicht erst darauf ankommen.
Der Fluch des ewigen Verpassens des Podiums ist damit gebrochen und Schleswig-Holstein endlich am lange erhofften Ziel angekommen. Der Dank dafür gilt natürlich den Spielern, aber auch den mitgereisten Eltern, denen aus der SJSH, die diese DLM mitorganisiert haben, und natürlich Wolfgang, der die Jahre vorher als Trainer tätig war.
Im Folgenden jetzt noch eine kurze Zusammenfassung zu unseren einzelnen Spielern:
Ashot war an Brett 1 mit seinen Partien zunächst nicht vollends zufrieden, aber in den entscheidenden Momenten war er da und macht schlussendlich mit 5/7 sogar ein leichtes Eloplus.
Martin konnte an Brett 2 mit 4,5/7 vollends überzeugen, auch wenn seine Niederlage in Runde 7 einen Elogewinn verhindert hat. Vor allem taktisch ist Martin aus meiner Sicht im letzten Jahr noch einmal stärker geworden und kann den IM-Titel durchaus realistisch angreifen.
Frederik hatte in den Runden 3 und 4 eine kleine Schwächephase, aber erholte sich gut davon und machte mit 5/7 genau wie Ashot ein leichtes Eloplus.
Daniel hat mit 5,5/7 an Brett 4 die beste Punkteausbeute im Team und hat dieses auch mit seiner Leistung entscheidend zum 3.Rang getragen. Ärgerlich war nur seine Niederlage gegen Sonja Bluhm, aber mit einem Sieg am nächsten Tag hat er den Schock perfekt abgeschüttelt. Wenn er noch an seinem Eröffnungsrepertoire arbeitet und weiter trainiert, ist auch bei ihm Einiges möglich.
Bärenstark war auch die Performance von Alva an Brett 5. Zwar verlor sie zwei ärgerliche Partien, aber mit 3,5/7 macht sie trotzdem einige Elopunkte gut und spielte dabei in 6 der 7 Runden gegen Gegner mit teilweise erheblich höherer Elo.
Keyvan lieferte an Brett 6 mit 4/7 auch ab. Auf seinen souveränen Auftaktsieg folgten 6 Remisen, die dem Team in den Kämpfen Stabilität verliehen. Auch er darf sich über ein paar gewonnene Elopunkte freuen.
Alexandra erwischte mit 1/7 an Brett 7 hingegen kein besonders gutes Turnier. Vor allem in den Runden 1 und 2 blieb sie unter ihren Möglichkeiten. Danach spielte sie oftmals starkes Schach, wobei sie in Zeitnot mehrmals den Faden verlor. Ihr positives Highlight ist sicherlich das Schwarzremis gegen Jana Böhm, die mit einer Elo von 2001 das stärkste Brett 7 im Turnier war. Bedenken sollte man bei der Beurteilung dieser Leistung aber auch, dass sie das erste Mal bei der DLM dabei war und sich viele Außenstehende gar nicht vorstellen können, was für ein Druck auf jedem Spieler liegt, weil er weiß, dass sich alle anderen auf ihn verlassen. Ich bin mir sicher, dass sie in den nächsten Turnieren wieder stärker aufspielen wird.
Katerina spielte an Brett 8 gut und erreichte 4/7. Dass sie dabei Elo verlor, sagt nicht wirklich etwas über ihre Leistung aus, da einige Spieler an Brett 8 eine höhere DWZ als Elo haben. Vor allem taktisch ist sie schon beeindruckend stark für ihr Alter, weshalb ich nur Thomas Worte wiederholen kann, dass sie ihre Weißeröffnung auf 1.e4 umstellen sollte, da sie dort mehr Stellungen erhalten wird, die ihr liegen. Als ich damals beispielsweise anfing, den offenen Sizilianer zu spielen, konnte ich auch noch einmal einen beachtlichen Spielstärkesprung verzeichnen.
Schließlich bleibt mir nur zu sagen, dass es mir Spaß gemacht hat, diese Mannschaft gemeinsam mit Thomas Thannheiser zu trainieren und zu betreuen und ich auch im nächsten Jahr wieder gerne dabei bin, wenn Bedarf besteht!
Benedict